Vor kurzer Zeit bin ich einer Kundin gegenüber gesessen, die sich gerade von einer Erschöpfungsdepression erholt. Ja, du kennst das unter „Burnout“. Da dies aber noch immer nicht eine Diagnose nach ICD-10 ist, wird es vom Arzt als Erschöpfungsdepression attestiert. Die junge Frau hat mir mit einem bitteren Lächeln erklärt, dass sie vor ein paar Jahren nie daran gedacht hätte, dass sie einmal an diesem Punkt angelangen würde. Sie sei so voller Elan und Energie gewesen. Sie habe alles problemlos bewältigt. 

Wie gut erinnere ich mich an meine Zeit bei der Bank. Mit meinen Gspänli haben auch wir so manche Überstunden gemacht, wenn es eng geworden ist und wir Fehler haben korrigieren müssen. Aber diese Überstunden sind nicht an der Tagesordnung gewesen. Sie haben ein paar Tage angedauert, wenn überhaupt, und nachher ist alles wieder ruhig gelaufen und wir haben abbauen können. Dort habe ich mich in keiner Weise überfordert gefühlt.

Wieso kommt es dazu, dass wir uns überfordern? Oftmals halsen wir uns selbst eine ganze Menge auf. Da ist man mitten in der Arbeit und – schwupps – wird man von einem Mitarbeiter mit einer Frage gestört. Das ginge ja noch. Aber vielleicht ist es eine komplizierte Frage, etwas, das wir mühselig abklären müssen. Wir übernehmen ohne zu hinterfragen. Und hinter dem – neben anderem, denn nett und beliebt möchte ich ja auch noch sein – steht unser Glaube „ich schaffe alles“. Und weil ich ja alles schaffe, schaffe ich das auch noch. Und am Schluss sitze ich vor einem Berg Arbeit, von dem die Hälfte gerade mal überhaupt mein Job ist. Den Rest habe ich aus Goodwill übernommen, weil wir unseren Mitarbeitern ja helfen möchten. Und was passiert jetzt? Jetzt komme ich mit meiner eigenen Arbeit ins Hintertreffen und beginne Überstunden zu machen.

Auch ich bin an einem „Burnout“ vorbeigeschrammt, weil ich immer wieder ganz viel übernommen habe, weil ich „alles schaffe“ und mir oder anderen beweisen habe wollen, was ich doch für ein „Siebesiech“ bin. Mein Motto: „Her damit, je mehr desto besser.“ Aber hey, auch Eigesätzli wird älter. Nebenbei noch Kind, Pferd, Ausbildungen, Haushalt. Da habe ich plötzlich gemerkt, nix da „Siebesiech“. Energie reicht gerade noch für „Siech“, das „Siebe“ hat sich verabschiedet. Und jetzt gilt es, zu kommunizieren und sich einzugestehen, dass frau eben „nicht alles schafft“. Jetzt gilt es mit der Energie zu haushalten, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und Aufträge abzuweisen, die nicht zum eigenen Aufgabengebiet gehören. Sich bei jedem neuen Auftrag zu überlegen, welche andere Aufgabe ich zurückstellen muss, wenn ich das noch erledige.

Wie sieht es bei dir aus? Schaffst du alles? Oder merkst du, dass du langsam ausgelaugt oder eben ausgebrannt bist? Wie fühlst du dich am Morgen? Kannst du noch locker aufstehen oder ist es dir ein Gräuel? Fühlst du dich schon beim Zubettgehen für den nächsten Tag überfordert? Kannst du noch schlafen oder ist das Gedankenkarrussell bereits aktiv? 

Beantwortest du mehrere Fragen mit ja, dann zieh die Notbremse. Jetzt!

Sagen wir zu allem immer ja, werden wir auf der Strecke bleiben.
Sagen wir zu allem Ja, schaffen wir es nicht mehr unsere eigenen Dinge zu erledigen.
Das Ding mit dem „ich schaffe alles“
Markiert in:         

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert